Sonntag, 17. November 2013

...WILD am Sonntag: +++Tellerkatastrophe+++

Mit eben jener Regelmäßigkeit wie die Zeitung mit den vier großen Buchstaben kommt in der Familie Kampi Wild auf den Tisch. Allerdings nicht in eben jener Häufigkeit. Aber Masse bedeutet ja nicht unbedingt Klasse.

Wir lieben Wild...egal ob Reh oder Wildschwein. Wir haben eine gute Quelle für frisch Gejagtes. Und Herr Kampi freut sich, wenn er mal wieder seine Hobby-Metzger-Qualitäten an einem ganzen Tier ausleben kann.

Deshalb sollte an einem der letzten Sonntage mal wieder Frischling auf die Teller. Gesagt...getan.
Nur über das wie hab ich mir eine ganze Weile den Kopf zerbrochen.

Schließlich hielt ich eines meiner Lieblings-Koch-Bücher in der Hand. Ich hab geblättert. Ein, für mich nachkochbares, Rezept gefunden. So dachte ich zumindest.

Foto: Collection Rolf Heyne
Ich hab mich da aber echt weit aus dem Fenster gelehnt. Und? Ich bin gescheitert! Nicht unbedingt geschmackstechnisch. Konsistenztechnisch sicher. Anrichten? Ne Katastrophe! ICH. KANN. ES. EINFACH. NICHT!


Das Scheitern liegt sicher nicht unbedingt daran, dass ich einiges im Rezept den Gegebenheiten und Vorräten meines Kochlochs angepasst hab. Die Zutatenliste war für mich logisch, die Beschreibung des ganzen Rezepts nicht zu lang und durch die Gliederung durchaus auch nachkochbar.
Wer von euch dieses Meisterwerk eines Kochbuches im Regal hat, nehme es zur Hand und schlage auf Seite 48/49 nach...und leide mit mir.

Rehjus kochen...kann ich. Hab ja schließlich Rehfond im Vorrat! Meine erste Abwandlung: ich mach ne "richtige" Sauce. Schalotten würfeln, anschwitzen, mit Port, Rotwein ablöschen. Rehfond dazu, reduzieren und vorm anrichten mit Butter aufmontieren. Nicht wirklich schwer.

Vakuumierte Kastanien glasieren ist jetzt auch nicht hohe Kunst für mich (ja, ich hab die Folie vorher entfernt!). Der Madeira wurde zwar durch roten Port ersetzt, aber was solls. Geschmacklich top!

Aus Maroni, Butter und anderen Zutaten ne Kruste herzustellen, war auch nicht schwer. Obwohl ich Johannisbeerpulver und Esskastanienmehl weggelassen und dafür Semmelbrösel verwendet hab. Ich mach die Kruste immer mit Semmelbrösel!

Das Rotkohlpürree...paaaaah! Hallo! Steht doch im Rezept!

Ne Art normalen Rotkohl ansetzen. 
Gut, den Aceto hätte ich im Normalfall nicht unbedingt zugefügt, aber er passt super. Dass ich die frischen Heidelbeeren durch Cranberries ersetzt habe, ist auch nicht wirklich rebellisch.
Lange genug kochen soll der Kohl. Egal wie. Ob mit Pergament auf dem Kohl, im Schnellochtopf, oder klassisch.
Aber ein glattes Pürree wurde das einfach nicht. Ich hab keinen Mixer! Erst recht keinen Profimixer. Ich pürier einfach. Mit meinem Pürierstab. Dabei kommt allerdings nur (wohlschmeckendes) Rotkohlkrümeldingens raus.

Die im Rezept vorgesehenen Schwarzwurzeln ersetze ich durch Kartoffelpürree. Einerseits, weil ich mich im Moment noch dem Wintergemüse verweigere...andererseits, weil wir Landpomeranzen immer noch eine richtige Sättigungsbeilage haben wollen.

Jajaja...der ausgelöste Rehrücken war bei mir ein Frischlingsrücken! Aber mal ehrlich, wer will denn schon so kleinlich sein.
Ich brate das Fleisch an...nachdem ich mit meinem Wildgewürz (Koriander, Lorbeer, Wacholder, Nelke, Piment, Thymian, Pfeffer, Salz) gewürzt hab. In Butter, so stehts ja schließlich im Rezept. Ich hol die Kruste aus dem Froster, geb sie auf die Fleischstücke und jene dann in meinen Backofen. Ganz oben, da ist es am heißesten.  Oberhitze quasi.
Ihr braucht gar nicht lachen. Gasofen auf volle Pulle und Einschub ganz oben ist bei mir Oberhitze.

Das hier ist ja schließlich das Kochloch und keine Sterneküche. Ich hab nen alten Gasherd. Damit muss ich auskommen. Das verlangt einiges an Improvisation. Heißt im konkreten Fall: das Fleisch muss raus, bevor die Kruste Farbe bekommt. Sonst wirds furztrocken. Ich helf einfach mit dem Gasbrenner der Farbe der Kruste ein wenig auf die Sprünge.

Also ab damit auf den Teller. Immer das Vorbild aus dem Buch im Kopf.



Geschmacklich ein Knaller!!!! Uiuiui...aber optisch war das wohl eher nichts.

DENN!
Genau SO sah es im Buch aus!

Foto: Collection Rolf Heyne


FAZIT: Ich kann Rezepte lesen. Ich kann (vielleicht) kochen. Ich kann abwandeln, improvisieren, ein Gericht meinen Gegebenheiten, Vorräten, Gerätschaften anpassen. Ich kann sicher auch ergänzen, ersetzen, weglassen...am Ende schmeckts.

ABER: ich kann nicht anrichten.

UND: Sterneköche sind nicht umsonst hochdotiert.Sie können es einfach! Sowohl kochen, als auch anrichten. Und es schmeckt bei ihnen einfach noch etwas besser.

UND: Sterneköche schreiben ihre Rezepte mit einer für sie selbstverständlichen Selbstverständlichkeit auf. Leicht zu lesen. Weil sie all die Tricks und Kniffe zwar drauf haben, aber auch beim Nachkocher voraussetzen. 

ABER: Ich liebe die Überflieger-Kochbücher. Weil sie so schön anzuschauen sind. Weil sie Lust machen. Weil die Fotos mir das Wasser im Munde zerlaufen lassen.

UND: Ich bin nicht wirklich traurig  und enttäuscht, dass mein Teller nicht so aussieht wie im Buch.
Im Gegenteil! Für mich ist da noch ganz viel Luft nach oben. Ich weiß, ich kann noch ganz viel in meinem Kochloch ausprobieren.
Ich werde nie an diese Perfektion herankommen. Das will ich auch gar nicht. Aber so ein wenig schwelgen und sich anmaßen, dass man genau das auch hinbekommen würde, wenn man sich nur genug anstrengen und viel üben würde.
Genau dafür liebe ich Kochbücher! 

UND: Genau aus diesem Grund ist dieser Post ein Beitrag für das Event "Jeden Tag ein Buch"
jeden Tag ein Buch






12 Kommentare:

Gourmet-Büdchen hat gesagt…

ach Frau Kampi, Dein Teller sieht sehr appetitlich aus und jeden Tag optische Sterneküche ist genauso uninteressant wie täglich Erbsensuppe ;-)
Wieder einmal hätte ich gerne mit am Tisch gesessen.

Susanne Denkmann hat gesagt…

Du brauchst dein Licht wahrlich nicht unter den Scheffel stellen! Deine Gerichte sehen immer super aus und man kann quasi das Bild schmecken! Weiter so!

Kerstins Speisekammer hat gesagt…

Also ich würde lieber von Deinem Teller essen.... bei dem anderen hätte ich Angst, was kaputt zu machen.... sieht doch gut aus und vor allen Dingen appetitlich! Das ist das wichtigste.
Keep on cooking!
lg kerstin

Andreas hat gesagt…

Ich kann`s erst recht nicht. Will einfach nicht so klappen wie ich mir das manchmal vorstelle. Und am Ende sieht`s meistens aus wie immer. Aber ich will auch nicht stundenlang dekorieren, anrichten und garnieren, denn es will ja auch gegessen werden! Und das nicht kalt!

Claus hat gesagt…

Vergiss es. Geht nicht. Nicht aus so Kochbüchern. Wie auch!? Hast du ne Brigade zu Hause??? Muss doch auch nicht!

...Frau Kampi... hat gesagt…

ach...gerne hätte ich dich mit am Tisch gehabt! Danke!

...Frau Kampi... hat gesagt…

Aber bei manchen Fotos wünschte ich mir, dass sie noch viel mehr nach dem aussehen würden, nach dem sie schmecken. Ich geb aber nicht auf! :-D

...Frau Kampi... hat gesagt…

Meine Teller ollen ja auch nicht so aussehen, als würde man was kaputt machen. Aber ab und an dürften sie schon etwas besser daher kommen ;-)

...Frau Kampi... hat gesagt…

Bei mir siehts auch aus wie immer. Und ich mag auch nicht stundenlang dekorieren. Aber wenn ich schon stundenlang koche, und das mach ich wirklich mit Liebe, Lust und Leidenschaft, dann könnte es doch wenigstens ab und an so aussehen wie aus einem Kochbuch!

...Frau Kampi... hat gesagt…

Ich hab ne Fressbrigade zu Hause...zählt aber nicht oder? Aber ist doch schön, so ein "bisschen" Luft nach oben zu haben.

Siglinde vom Ideentopf hat gesagt…

hallo Sandra
ich staune immer wieder, was du so auf den Teller zauberst und bin davon begeistert. Also lass den Sterneköchen ihre Sterne. Und beim lesen der letzten Ausgabe von unserer FF, des Südtiroler Wochenmagazines gab es einige sehr interessante Artikel zur Sterneküche und ihren Köchen zu lesen ( übrigens auch von Frau Matscher ). Es sind einige sehr interessante Standpunkte vertreten und wenn es dich interessiert, scanne ich dir die Seiten ein und mail sie dir.
GLG aus deiner zweiten Heimat :) Siglinde

...Frau Kampi... hat gesagt…

Liebe Siglinde,

ich bin ja von Natur aus neugierig. Und so eine Vorgabe stachelt natürlich auch meine Kreativität an. Und wenn es dann noch geschmeckt hat, ärger ich mich halt ein wenig, dass das mit meinen Tellern auf dem Foto nicht so rüberkommt.
Wenn du den Artikel noch hast, würde ich ihn sehr gerne lesen wollen. Ich mag die FF ja sehr gerne...