Freitag, 1. April 2011

Weißt du, woran du merkst, dass du in der Provinz wohnst?

Ganz einfach.
Du gehst in die Stadt (Kleinstadt -13 000 Einwohner), um ein digitales Bratthermometer zu kaufen und dir passiert folgendes:

Du gehst ins Geschäft, ein Fachgeschäft! Und schaust. Ah, da! Ein Exemplar.

Nur ist das nix für dich. Weil es genau von der Bauart ist, von der du schon einige verschlissen hast. Immer wieder Kabelbruch.
Das sagst du natürlich der Verkäuferin und fragst, ob es noch ein anderes Modell gibt. Eins, dass sie eventuell bestellen könnte.
Na gut, du hast Verständnis, dass sie einen Katalog wälzt und nicht gleich auf Anhieb die richtige Seite findet. So mit knapp am Rentenalter muss sie ja auch den Computer nicht beherrschen. Ist ja nicht nötig in so ner kleinen Stadt.
Da hilfst du mit suchen, kein Thema.

Aber im Katalog gibts auch nur ähnliche Modelle. Gut bei dem ein oder anderen kannst du nicht richtig erkennen, ob es das ideale sein könnte.
Fragst du halt die Verkäuferin, vielleicht kann sie da was dazu sagen. Und dann bekommst du die Antwort:

"Ich kann Ihnen da nichts sagen, ich verstehe gar nicht, was da steht. Wozu brauch man denn so ein Thermometer?"

HÄÄÄÄ?

Gut, denkst du dir. Hat der Laden halt Pech. 40 Euro oder mehr durch die Lappen gegangen. Bestellst du eben eins.

Gehste weiter. Um die Ecke ist ein Buchladen, wie in vielen Kleinstädten. Und die Verkäuferin kennt dich. Sie weiß von deiner Kochleidenschaft und deiner Vorliebe für Kochbücher. Du willst nur stöbern, das weiß sie.
Kommste natürlich ins Fachsimpeln. Ist ja grad keiner im Laden. Das ist der Vorteil gegenüber so einem großen Einkaufstempel. Da würde dich a) die Verkäuferin gar nicht kennen und b) wärste nicht alleine mit ihr und könntest quatschen.
Sie zeigt dir die tollen Gewürzmischungen, die ein Sternekoch parallel zu seinen Kochbüchern hier verkaufen will. Sagste der Verkäuferin, dass du das nicht magst... Mischst dir die Gewürze so, dass da nur das drin ist, was dir schmeckt. Das gefällt der Dame, das merkste richtig.

Und dann kommt der Satz, der dich zusammenzucken lässt:
"Da haben wir soviel Kochbücher und in keinem kann ich finden, wie man Gemüse richtig lecker in der Pfanne zubereiten kann."

HÄÄÄÄ?

Dann gehste auf den Wochenmarkt. Freitags immer. Der Hühnerdealer steht da immer. Hat tolles Geflügel, alles was du so denken kannst. Eigene Zucht. Und Bauernkaninchen, Lamm, Wild. Toll.
Und da haste die alten Damen vor dir, denen der Verkäufer einfach nicht schnell genug ist. Weil sich ganz vorne jemand nach der Herkunft des Fleisches erkundigt.Und die dann staunen, dass es sogar Bratwürste aus Lamm und Wild gibt. Wird natürlich ausdiskutiert, dass man das ja nicht mag und dass das sicher sehr trocken wäre. Aber jede der drei Damen muss dann doch zwei dieser Würste mitnehmen, weils die andere auch hatte.

HÄÄÄÄ?

Du kaufst ein Suppenhuhn, weil ne gute Brühe kann man immer im Haus haben. Und was für den Sonntag. Aber keine Bratwurst, weil du keine feingecutterten Würste magst, lieber die groben.
Und dann gehste halt nach Hause, setzt dich vor den Rechner. Bestellst ein Bratenthermometer und ein tolles Kochbuch. Und freust dich, wenn der Bote an der Tür klingelt und dir das Päckchen überreicht.

Und dann kochst du dir was leckeres.
Warst ja auch noch beim Gemüsehändler. Der der dich immer freundlich anlacht, mit dem du per du bist und der dir letztens die  Eier von den Junghennen aufgehoben hat, weil er weiß, dass du sowas Spezielles liebst.
Der hat frischen Spinat für dich.


Du schneidest eine Schalotte klein, schwenkst sie in Olivenöl. Dann gibst du den frischen Spinat dazu. Gewaschen und etwas zerzupft. Kleingehackter Knoblauch ist natürlich ein unbedingtes Muss. Ein kleiner Schluck Hühnerfond, etwas Sahne. Würzen mit Salz, Pfeffer und Muskat. 

Du darfst natürlich nicht vergessen parallel in einemTopf die Tagliatelle zu kochen!

Wenn die al dente sind, gibst du ein schönes Stück Blauschimmel zum Spinat. Lässt ihn schmelzen und mischst die Nudeln unter.


Und wenn du das dann auf dem Teller hast, mit Parmesan bestreut und den ersten Bissen in den Mund schiebst, ist dir sowas von egal wo du wohnst!

 
Übrigens, obwohl heute der erste April ist, ist die Geschichte kein Scherz. Die ersten beiden sind mir vor ein paar Wochen so passiert, innerhalb einer halben Stunde. Und die Geschichte mit den alten Damen hab ich heute so erlebt...

P.S....die Fotos hab ich heute mit der Küchenknipse gemacht...der Herr Kampi kann nichts dafür



11 Kommentare:

Gourmet-Büdchen hat gesagt…

Das passiert nicht nur in der Provinz!
Aber wer ist die Küchenknipse? HÄÄÄÄ? ;-)

Anonym hat gesagt…

HERRLICH Sandra !!!!!!

LG Marija

Kochbuchsüchtig hat gesagt…

Phantastisch :o) das könnte in meinem Heimatdorf sein.. obwohl da wärs noch um einiges schlimmer..!!!

LG Alice

Marion P. hat gesagt…

Ich glaub', die Buchhändlerin arbeitet jetzt in einer Kleinstadt bei Köln ;-)

Freundin des guten Geschmacks hat gesagt…

Also, das mit den alten Damen will ich mal überlesen haben! Seit heute bin ich im wohlverdienten Ruhestand. Und Computer kann ich immer noch!

...Frau Kampi... hat gesagt…

@Gourmet-Büdchen,
die Küchenknipse ist der heimliche Sklave bei mir...Immer im Dunkeln darf sie nur raus, wenn keiner guckt!
@Marija, Alice und Marion,
danke! Marion, das kann aber nicht sein, weil ich sie gestern erst gesehen hab!
@FdgG,
du bist zwar im Un-Ruhestand...aber das was die Damen hier abgeliefert haben, das würde dir nicht mit 90 passieren.

Alex [Chef Hansen] hat gesagt…

Dieses Thermometer steht auch auf meinem Wunschzettel, mir gefällt, dass es so viele unnütze Funktionen hat - genau das richtige für technikverliebte Männer, dachte ich - kann´s was? Funktioniert´s auch nur als Backofenthermometer?

Bei uns gibt´s so nen Haushaltswarenladen, der ist fast so groß wie der Kaufhof und was die nicht haben, das gibt´s garnicht ;-) Allerdings ist das auch nicht auf´m Land... Da bin ich ja neulich schon an Brioche-Förmchen gescheitert.

Suse hat gesagt…

Ich liebe das Leben in der Provinz mit überwindbarer Distanz zur Großstadt. Für die ich wetten könnte, dass es dort noch mehr Menschen gibt die nicht wissen wozu man ein Bratenthermometer benötigt und vielleicht nicht mal so hilfsbereit wären und einen ganzen Katalog zu durchsuchen.
Und lass doch ruhig die alten Damen die Bratwurst kaufen, solange sie dir die Hühnerkarkassen für den guten Fond nicht vor der Nase wegschnappen ;o)

Arthurs Tochter hat gesagt…

Schöne Geschichte!
Ich lebe nun auch in der Provinz, werde aber durch das bäuerliche Umland mit einer tollen Fleisch- und Geflügelerzeugung ständig entschädigt.
Und wenn ich´s mal ein bisschen größer will- Mainz und Wiesbaden sind nur ca. 20 km entfernt und auch Frankfurt ist nicht sooo weit.
Für Sachen wie Bratenthemometer gehe ich allerdings gar nicht mehr aus dem Haus, sowas bestelle ich stets bei Amazon o. a. Verdächtigen.

Kochfelder hat gesagt…

Liebe Leute, und da soll eine Haushaltswaren-Expertin ruhig sitzen bleiben? Zum Glück läuft das bei uns noch ein wenig anders, und hoffendlich noch lange.

kitchen roach/galley roach hat gesagt…

Hihi, da komme ich mir hier vor wie in der Grosstadt.